"Freunde Syriens" treffen sich in Istanbul

Türkische Demonstrierende protestieren gegen das syrische Regime. Beyazıt-Platz, Istanbul, 18. März 2012. Foto: FreedomHouse2, Quelle: Flickr, Creative Commons: BY 2.0

2. April 2012
Ulrike Dufner
Am 1. April 2012 versammelten sich Vertreter/innen von 83 Ländern im Kongresszentrum Istanbul zum Treffen der Freunde Syriens, um über weitere Maßnahmen zur Beendigung des brutalen Vorgehens der syrischen Regierung gegen die Aufständischen zu beraten. Beschlossen wurde vor allem die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Sanktionsregimes gegen die syrische Regierung. Dieser Beschluss ist auch eine Reaktion auf den Annan-Plan.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan ließ es in seiner Eröffnungsrede nicht an deutlicher Kritik an diesem Plan fehlen: Er könne vom syrischen Regime dazu missbraucht werden, ein Ende der Repressionen hinauszuzögern. Denn er enthalte weder einen klaren Zeitplan noch Sanktionen, falls Syrien ihn nicht umsetze. Manche Kommentatoren in der Türkei fordern daher, das Treffen dazu zu nutzen, den Annan-Plan zu beerdigen. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton ließ an die Adresse Syriens gerichtet verlautbaren, die Umsetzung des Annan-Plans sei nicht beliebig zu verschieben.

Erdogan kritisierte in seiner Rede auch, dass das syrische Regime und die Opposition in dem Plan einen gleichwertigen Status hätten. Dies könne man nicht hinnehmen. Er betonte, dass die syrische Opposition ein legitimes Recht auf Selbstverteidigung habe. Die Türkei halte den syrischen Nationalrat als legitime Vertretung des syrischen Volkes.

Druck auf die syrische Opposition

Dennoch ist gerade die Zersplitterung der syrischen Opposition einer der kritischen Punkte für die internationale Staatengemeinschaft. Bereits in den Tagen vor dem Treffen der Freunde Syriens wurde daher der Druck auf die syrische Opposition erhöht, sich zusammenzuschließen. Die internationale Staatengemeinschaft benötige einen Ansprechpartner, und es müsse eine gemeinsam beschlossene klare Perspektive für die Zeit nach dem Sturz von Bashir al-Assad geben.

Der syrische Nationalrat verabschiedete auf seinem Treffen in Istanbul vergangene Woche einen nationalen Pakt. Aber wichtige Gruppen haben sich dem Nationalrat nicht angeschlossen, darunter vor allem das nationale Koordinationskomitee für demokratische Reform und die verschiedenen kurdischen Strömungen.

Die Kurdische Opposition in Syrien

Die KUK (Nationale Befreiung Kurdistans) hatte sich ursprünglich an den Verhandlungen des Nationalrates beteiligt. Sie zog sich allerdings zurück, nachdem ihre Forderungen nicht auf Akzeptanz stießen. Sie forderte, dass in dem Pakt für die Zeit nach dem Sturz von Assad die Kurden als eine der ethnischen Gruppen neben den Arabern aufgeführt werden. Ebenso forderte die KUK eine Art föderales System nach dem Vorbild von Irakisch-Kurdistan. Auf beide Forderungen wurde in dem nationalen Pakt nicht eingegangen.

In den türkischen Medien wurde darüber hinaus in den vergangenen Tagen die Haltung der PKK zum syrischen Regime diskutiert: Die PKK in Syrien und im Iran (PJAK) unterstütze das syrische Regime und beteilige sich nicht an der Opposition im Land. Sie sei – wie auch der Iran selbst - an einem Zerfall Syriens interessiert, da dieser die Aussichten auf ein eigenständiges Kurdistan verbessere. Mittlerweile dementiert die PKK diese Anschuldigungen. An den Verhandlungen des syrischen Nationalrates in der vergangenen Woche hat sie sich jedoch nicht beteiligt. Sie hat sich dem Bündnis für demokratische Reformen angeschlossen, hält sich jedoch weiterhin mit einer Teilnahme an den Aufständen zurück.

Die Tatsache, dass die verschiedenen Strömungen der kurdischen Opposition in Syrien sich nicht dem Nationalrat angeschlossen haben, dürfte der türkischen Regierung entgegenkommen. Sie ist derzeit in der Türkei bemüht, die PKK mit allen Mitteln zu bekämpfen, sie politisch zu isolieren und andere politische Strömungen der pro-kurdischen Bewegung aufzuwerten. Sie bemüht sich auch, die irakisch-kurdischen Parteien dazu zu bewegen, den Druck auf die PKK zu erhöhen. In den Gesprächen mit den USA hatte sich die türkische Regierung auch die Zustimmung der USA für das harte Vorgehen gegen die PKK und KCK in der Türkei gesichert. Die pro-kurdische Bewegung in der Türkei fordert daher verstärkt das Abhalten einer regionalen Kurdistan-Konferenz in Arbil, die immer wieder verschoben worden ist. Sie will eine Spaltung der kurdischen Strömungen, ein Ausspielen der unterschiedlichen Parteien gegeneinander verhindern und letztlich ihre eigene Position stärken.

Kommentatoren der türkischen Medien fordern daher die kurdische Opposition in Syrien dazu auf, sich der Opposition anzuschließen. Sie befürchten, dass ansonsten das „türkische Modell“ auch in Syrien Schule machen könne. Und dieses Modell verspricht mittelfristig weiterhin anstatt Frieden eine breit angelegte Repressionswelle mit offenem Ausgang.

Der Faktor Iran

In der Fernsehsendung „32. Tag“ („32. Gün“) versuchte der türkische Außenminister einen Tag vor dem Beginn der Tagung der Freunde Syriens Gerüchte zu dementieren, die nahelegen, dass es einen „kalten Krieg“ zwischen der Türkei und Iran zu gebe, der auf dem Kampf um die regionale Vorherrschaft vor allem im östlichen Mittelmeerraum beruhe. So heißt es, der Iran ziehe für die Zeit nach Besir al-Assad durchaus den Zerfall Syriens einem geeinten Syrien vor. Auf Kritik im Iran stoße außerdem auch der von der NATO in der Türkei dislozierte militärische Abwehrschirm.

Davutoglu hingegen entgegnete, der Iran befürworte die Vermittlungsbemühungen der Türkei in der Nuklearfrage. Die türkische Regierung habe bei ihrem Besuch gegenüber den iranischen Machthabern in der vergangenen Woche ihr Verständnis für den Besitz von Kernkraftanlagen zum Ausdruck gebracht. Außenminister Davutoglu betonte, dass Khamenei Nuklearwaffen als „haram“ – vom Islam verboten – bezeichnet habe. Eine derartige Aussage käme einem religiösen Fatwa gleich und habe einen hohen Stellenwert. Dennoch habe Davutoglu gegenüber dem Iran auf Zulassung von Inspektionen der IAEA gedrungen.

Die Erwartungen an die Konferenz der Freunde Syriens waren hoch gesteckt. Die diffizile Gemenge- und Interessenlage zeigt jedoch, dass diese Erwartungen wenig realistisch waren. Dennoch machte Ministerpräsident Erdogan unverständlich klar, dass die Konferenz auch den Druck auf die UNO erhöht habe. Wenn der UN Sicherheitsrat keinen wirksamen Beschluss fasse, sei die Unterstützung des syrischen Volkes bei seinem legitimen Recht auf Verteidigung unausweichlich. Derzeit ist noch von Unterstützung bei der Aufklärung die Rede. Ob dies aber dabei bleiben wird, muss bezweifelt werden. Nicht umsonst wird in den türkischen Medien zunehmend über abtrünnige syrische Militärs und den Aufbau einer Oppositionsarmee an der türkisch-syrischen Grenze berichtet.

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Ulrike Dufner leitet das Türkeibüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul.